Herrscherbild

Herrscherbild
Herrscherbild,
 
in der Kunstgeschichte Bildnis eines Regierenden, das in einigen Kulturen schon früh und meist unter Kennzeichnung des Ranges neben dem Götterbild auftritt. In der sumerischen Kunst Altmesopotamiens ist der Herrscher wie andere Würdenträger gekleidet und nur durch die Bildkomposition (Nähe zur Gottheit) zu ermitteln, in der akkadischen Kunst (Naramsinstele) und in Ur III trägt er die Hörnerkrone und ist durch seine Größe gegenüber den übrigen Beteiligten hervorgehoben (Bedeutungsgröße). Vor einer Gottheit erscheint er bei der Introition seit neusumerischer Zeit ohne Kopfbedeckung. In Darstellungen des 1. Jahrtausends v. Chr. trägt er verschiedene nur ihn kennzeichnende Kopfbedeckungen. In Assyrien wird der König auch zu Pferd gezeigt. Der hethitische König ist durch eine Amtstracht oder Bestandteile derselben, z. B. Mantel, Lituus (Krummstab), spitze oder kalottenförmige Mütze, Bogen oder Lanze, ausgezeichnet. In Ägypten wurden Königsstatuen seit etwa 3000 v. Chr. hergestellt und erreichten mit der Statue des Djoser Lebensgröße. Der Pharao trug einen Königsornat voll magischer und symbolischer Bezüge wie Tierschwanz, Phallustasche, Krummstab u. a. Zepter, Geißel, Uräusschlange am Kopftuch, später auch an der Krone, die in zahlreichen Varianten vorkam, besonders bekannt die Doppelkrone. Die Statuen, für den Totentempel bestimmt, dienten zunächst dem Fortleben des Königs im Jenseits, seit dem Mittleren Reich wurden Herrscherbilder auch in Göttertempeln aufgestellt; im Neuen Reich finden sich Kolossalstatuen vor dem Pylon eines Tempels. Das Herrscherbild repräsentierte das Königtum und sollte in Vertretung des Königs auf seine Umwelt wirken, ein individuelles Porträt war nicht beabsichtigt. Aus Iran sind Darstellungen der Achaimenidenkönige Dareios I., Xerxes und Artaxerxes I. von Reliefs in Persepolis bekannt: schreitend, von Dienern mit Schirm und Wedel begleitet, oder thronend unter dem Baldachin, in einem - wie Spuren zeigen - mit goldenen Borten besetzten Purpurmantel und mit Gold eingelegten Armringen und Krone sowie Herrschaftszeichen in den Händen. Die Parther stellten ihre Könige als Reiter in der Steppentracht nordostiranischer Stämme dar, die zur Hoftracht geworden war. Auf Reliefs dominiert die Darstellung des berittenen Königs, der den Feind tötet (Mithridates II. auf dem Felsrelief von Bisutun). Die Sassanidenkönige sind bei der Investitur durch Götter, beim Triumph über Feinde, im Turnier oder bei der Jagd wiedergegeben. Islamische Herrscher erscheinen auf persischen und mongolischen Miniaturen thronend oder beim Gelage im Palast, auch zu Pferd auf der Jagd oder beim Polospiel; dazu kommt das Bild des dichtenden Herrschers mit Schreibstift. - In der hellenistischen Kunst und Kultur wurde der orientalische Herrscherkult aufgegriffen, Alexander der Große und die Diadochen prägten die Münzen mit ihrem Bildnis. In der römischen Kaiserzeit wurde die Porträtdarstellung von Kaisern (Standbilder, Büsten, Reliefs) als geheiligtes Staatssymbol betrachtet, Münzen wurden mit dem Kaiserbildnis versehen. In der christlichen Antike entstanden vorrangig kaiserliche Standbilder (»Koloss von Barletta«, 5. Jahrhundert) sowie Darstellungen von Herrschern auf Münzen und Mosaiken (z. B. Kaiser Justinian I. und Kaiserin Theodora in der Apsis von San Vitale in Ravenna, 547). - Aus dem Mittelalter sind Herrscherbilder v. a. in der ottonischen und staufischen Buchmalerei sowie auf Grabmälern überliefert. In der Tafelmalerei erscheint das Herrscherbild seit dem 14. Jahrhundert und erlangte v. a. im absolutistischen Zeitalter des Barock besondere Bedeutung. Es vergegenwärtigte stellvertretend den nicht anwesenden Regenten und diente der Repräsentation der in dieser Person verkörperten Staatsmacht. Es erfüllte diese Funktion mit voller Wirkung jedoch nur zu Lebzeiten des Dargestellten, dessen Herrschermacht sich durch Haltung, Gestus und entsprechende Attribute (Insignien, Kleidung, Haartracht u. a.) dokumentierte. Auch in der Neuzeit entstanden noch solche Herrscherbilder (z. B. J. A. D. Ingres, »Napoleon I. auf dem Thron«, um 1806; Paris, Musée de l'Armée).
 
 
Das röm. H., hg. v. K. Fittschen u. a., auf zahlr. Bde. ber. (1939 ff.);
 W. Brückner: Bildnis u. Brauch (1966);
 R. Schoch: Das H. in der Malerei des 19. Jh. (1975);
 
Das Evangeliar Heinrichs des Löwen u. das mittelalterl. H., bearb. v. H. Fuhrmann u. F. Mütherich, Ausst.-Kat. Bayerische Staatsbibliothek, München (21988).

Universal-Lexikon. 2012.

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